Das Rezept: Die 10er Serie im Rolfing

Rolfing - Berlin & München

Zu mir kommen oft Klienten mit heftigen Beschwerden. Hier steht das jeweilige Thema so sehr im Vordergrund, dass ich nicht nach der 10er Serie arbeite.  In solche Fällen gilt es dem Körper zu helfen die schmerzhafte Symptomatik schnell auf ein erträgliches Niveau zu reduzieren.

Einige Kunden kommen zu mir, um die Rolfing 10er Serie zu bekommen. Sie wissen, dass dies ein Prozess ist, in den sie eintreten. Sie haben in der Regel eher leichte körperliche Beschwerden, die wir in den Prozess der 10er Serie integrieren können.

“ Ihr werdet viel von dem Wort ,Rezept‘ hören, das hier herumfliegt, was soviel bedeutet wie, dass es eine Wegbeschreibung gibt, es gibt eine Karte, mit der ihr euch dieser Sache nähert, aber ich werde mitnichten glücklich sein, wenn es das einzige ist, was Ihr über Eure Arbeit wisst!“
Dr. Ida P. Rolf (1)

Die Rolfing® 10er Serie wurde von Dr. Ida Rolf konzipiert, als sie nach 30 Jahren praktischer Erfahrung begann, ihre Methode an Schüler weiterzugeben. Jede Behandlung hat einen speziellen Schwerpunkt, und die ganze Serie folgt einer inneren Logik. Im Laufe der zehn Sessions werden schrittweise die Verkürzungen im Fasziensystem bearbeitet und Sie lernen, mit der neu gewonnenen inneren und äußeren Bewegungsfreiheit umzugehen.

Dr. Ida Rolf hat zwar das Konzept der 10er Serie ihren Schülern beigebracht, doch wenn sie selbst eine Session gab, hat sie sich nur selten daran gehalten. Das Konzept ist deshalb nicht wertlos, sondern es zeigt, dass es wichtiger ist zu erkennen, was ein Körper gerade braucht, als ihm mit einem vorgefertigten Konzept zu begegnen. Das Konzept zeigt zudem, dass es mindestens zehn Sessions braucht, um eine Veränderung in der Körperhaltung zu bewirken. Außerdem verdeutlicht es, dass die Arbeit am menschlichen Körper ein Prozess in vielen Schritten ist. Wen wundert es, dass diese Schritte einer gewissen inneren Logik folgen, die der Körper uns vorgibt.

Session 1 – Atmung und Brustkorb

Eine leichte, befreite Atmung ist die Basis, damit Sie entspannen können, und die entspannte Atmung ist die Basis für eine ausbalancierte Körperstruktur. Damit der Brustkorb beweglich wird und die Lungen frei atmen können, werden auch angrenzende Strukturen wie Nacken, Schultergürtel, Lendenwirbelsäule und sogar die Oberschenkel bearbeitet.

Session 2 – Füße stabilisieren, Nacken entspannen

Die Füße sind die Basis, die den Körper in seiner Flexibilität und Stabilität unterstützt. Fehlt dem Körper diese Basis, muss er weiter oben für Stabilität sorgen. Das führt oft zu angespannten Schultern und einem verspannten Nacken. Wenn die Füße und Unterschenkel gut unter dem Becken stehen, kann der Mensch sich weiter oben entspannen. Nacken, Schultern und Arme können dann loslassen und locker werden.

Session 3 – Körper-Seitenlinie ausrichten

Die Seitenlinie beginnt beim äußeren Knöchel und endet am Ohr. Der wesentlichste Bereich ist der seitliche Raum zwischen dem Brustkorb und dem Becken. Der Lendenwirbelsäule (LWS) Beweglichkeit zu geben und von der LWS aus den Anschluss an Schultergürtel und Beckengürtel herzustellen, hilft dem Körper, wieder beweglich und drehfreudig zu werden.

Session 4 – Den Kern vom Boden aus öffnen

Der Kern des Körpers beginnt am Fußgewölbe und geht auf der Beininnenseite über den Beckenboden entlang der inneren Wirbelsäule durch den Hals in den Kopf. Die Session 4 arbeitet mit dem unteren Kernbereich, vom Fußgewölbe bis zum Beckenboden, um für die darüberliegenden Bereiche eine Basis herzustellen. Diese Basis entsteht durch den Kontakt zum Boden und die Durchlässigkeit des Kerns über den Innenfuß bis in den Beckenboden.

Session 5 – Becken mit Bauch und Beinen verbinden

Die Session 5 ist eine Fortsetzung der 4. Session. Nun geht es darum, den Kontakt zum Boden in Bewegung umzusetzen. Betrachten Sie Bewegung als Impuls, der aus dem Boden kommt und sich von den Beinen über das Becken in den Körper ausbreitet. Die Position des Beckens, seine Beweglichkeit und die Art, wie es eine Bewegung aus den Beinen in den Rumpf überträgt, wie es die Organe stützt und an den Brustkorb anbindet, sind ein großes Thema.

Session 6 – Sakrum und Rückgrat bekommen Raum

Das Sakrum (Kreuzbein) braucht Raum und Beweglichkeit, um die Impulse, die aus dem Boden kommen, in den Rücken weiterleiten zu können. Vom Sakrum bis in die Arme soll der Rücken durchlässig für den Fluss der Bewegung werden. Es soll Impulse in einem Spiel von Anspannung und Entspannung weiterleiten. Jeder Schritt, den Sie gehen, sendet Bewegungsenergie in den Rücken und bereitet so den nächsten Schritt vor. Je durchlässiger der Rücken für die Bewegung wird, desto effektiver bewegen Sie sich.

Session 7 – Kopf und Hals mit dem Sakrum verbinden

Der Kopf wiegt viel und will jede Sekunde balanciert werden. Ist er nicht an seinem Platz, muss er von unten gestützt werden und behindert den Rumpf in der Beweglichkeit. Kopf und Nacken von Spannungen zu befreien, tut gut. Aber erst, wenn Kopf und Nacken ausbalanciert mit Schultergürtel und Rücken verbunden sind und ein Bezug zum Sakrum entsteht, kann der Kopf den Bewegungsimpuls aus den Beinen aufnehmen, ausbalancieren und zurückschicken.

Session 8 – Integration: statische Balance

Der Körper ist aufgerichtet. Der Kopf ruht über den Füßen. Im Verlauf der 7. Session wurden viele Themen im Körper angesprochen. Einige Stellen benötigen noch zusätzliche Aufmerksamkeit, damit die Balance stabiler wird. Sie zu integrieren bedeutet, sie innerhalb des Körpers in Bezug zur Umgebung zu setzen und in Bezug zur Schwerkraft.

Session 9 – Integration: dynamische Balance

Bei jedem Schritt verschraubt sich der Körper ein wenig, speichert diese Bewegungsenergie im Fasziengewebe wie in einem Gummiband und gibt sie beim nächsten Schritt wieder frei. Je durchlässiger die einzelnen Bereiche des Gummibandes sind, desto leichter fließt die Bewegung bei jedem Schritt, desto effektiver und angenehmer wird die Bewegung empfunden.

Session 10 – Integration: innere und äußere Balance

Der Körper steht unter dem konstanten Einfluss der Schwerkraft. Die Aufrichtung in der Senkrechten ist die erste Bewegung und bereits ein Balanceakt. Die zweite Bewegung ist die dynamische Balance, die Bewegung des Körpers durch den ihn umgebenden Raum. Die Wahrnehmung, wie sich das Körperinnere zum Außenraum verhält, ist die dritte Bewegung. In der 10. Session wird der Körper in seiner Dreidimensionalität erfasst und als Ganzes betrachtet. Er soll eine Einheit bilden, in der jedes Teil mit dem Ganzen verbunden ist.

„“Wir sind nicht wirklich aufrecht, wir sind nur auf dem Weg zum Aufrechten. Dies ist eine metaphysische Betrachtung. Eine der Aufgaben eines Rolfers ist es, diesen Prozess zu beschleunigen. Wir wollen den Menschen von dem Platz befreien, wo die Schwerkraft sein Feind ist. Wir wollen ihn an den Platz bringen, wo die Schwerkraft ihn unterstützt und sein Freund ist, eine wohltuende und nährende Kraft.““
Dr. Ida P. Rolf Rolfing and Physical Reality, page 88

Die Rolfing 10er-Serie habe ich hier mit einfachen Worten skizziert. Der anatomische und theoretische Hintergrund ist jedoch viel komplexer und verlangt von jedem Rolfer eine umfangreiche Ausbildung. Sie können die 10er-Serie als Rezept, als hilfreichen Wegweiser betrachten, aber letztlich ist es der Körper des Klienten, der die Richtung und den Verlauf der einzelnen Sessions bestimmt. Deshalb gibt es auch keine Gewähr dafür, dass jede Session genau so ablaufen wird, wie hier beschrieben. Auch sind Sie nach Ablauf der 10er-Serie kein fertig gebackener, perfekter Mensch, sondern Ihr Körper ist einfach ein paar Schritte weiter – und das kann schon sehr viel bedeuten.


(1) Quelle: „The Science of Structural Integration: A Rationale for Research“ by Ben Hanawalt
Rolf, I. P. (Speaker). (1976c). Audio Tape A3, Side 1. Retrieved from http://www.rolfguild.org/member/ tape-a3-side-1


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